Wetsumping Honda NX650 Dominator
Fahrern von Britbikes ist das sogenannte wetsumping wohlbekannt, dabei entleert sich das Öl des Öltanks teilweise oder ganz in das Motorgehäuse. Dabei sind zwei Sorten zu unterscheiden - zum einen das wetsumping nach dem Abstellen des Motors. Dieses ist in der Regel eher unbedenklich, da beim nächsten Start das überschüssige Öl durch die stärkere Teilpumpe A sofort wieder in den Öltank gepumpt wird. Gravierender, jedoch ohne Ölkontrollschlauch nicht zu entdecken ist es, wenn der Ölstand im Rahmentank während der Fahrt absackt. Bei einer Honda eigentlich undenkbar und doch dürfte dieses Phänomen für einen Großteil der leider allzu häufigen Zylinderkopfschäden verantwortlich sein. Dabei ist die Ölpumpe bei verbrauchten Öl (was die sehr kurzen Ölwechselintervalle von 3000km erklärt) und/oder sehr heißem Öl nicht mehr in der Lage, den hoch im Rahmenrohr befindlichen Öltank vollständig zu füllen und/oder nach dem Abstellen des Motor dem hydrostatischen Öldruck des Öltanks (anschaulich durch das beim Ölwechsel in hohen Bogen herausschießende Öl) stand zu halten. In der Folge läuft der Öltank mehr oder minder leer, das Öl sammelt sich im Motorgehäuse (und macht den Trockensumpf zum Nassumpf), wird schaumig geschlagen und schließlich durch die Entlüftung durch den Vergaser angesaugt und verbrannt. Eine Folge ist ein abrupt ansteigender, exorbitanter Ölverbrauch von 3l/1000km und mehr, wer das nicht rechtzeitig merkt, fährt seinen Motor innerhalb einer Tagestour trocken – mit bekannten Folgen.
Ursache für das wetsumping ist meines Erachtens die Abstammung des Domi Motors von dem Geländesportler XR500. Hier kann es passieren, das z.B. nach einem Sturz die Ölpumpe Luft ansaugt. Daher muss die Pumpe selbst entlüftend sein muss, weshalb auf Simmeringe an der Pumpenwelle zur 100% Abdichtung verzichtet wurde. Die 88er Domis hatten die praktisch unveränderte XR Ölpumpe - während noch im laufenden Produktionsjahr eine neue Ölpumpe mit Simmeringen eingeführt wurde, meiner Meinung nach als Reaktion auf das Leerlaufen des Öltanks. Ebenfalls als Reaktion auf diese Probleme ist zu werten, das die RD08 eine stärkere Rahmenpumpe bekam, während die Pumpe zum Zylinderkopf gleich blieb.
Im Nachhinein lässt sich spekulieren, warum Honda der Domi nicht einen neukonstruierten Motor oder wenigstens Ölkühlung spendierte - da läuft vor meinem inneren Auge folgende Szene ab ...
Wir schreiben das Jahr 1982 - die Honda Techniker hatten gerade den Nachfolger für die in den USA äußerst beliebte XR500 entwickelt. Neben einer erstmals verwendeten Trockensumpfschmierung (die bisherigen XL/XR hatten Nassumpfschmierung) wurde auch ein revolutionärer Radial Ventil Zylinderkopf (RFVC) eingeführt. In die letzten Abschlussarbeiten platzt dann plötzlich der
Marketing Chef "Leute, Yamaha bringt eine 600er heraus - wir brauchen schnellstens ebenfalls eine 600er Strassenenduro - nehmt einfach den XR500 Motor und bohrt ihn auf!"
Konstrukteur "äh, Cheffe - der XR Motor ist doch als Geländesportmotor konstruiert worden, der verträgt kein Dauervollgas. Außerdem benötigt er auch häufige Ölwechsel und sorgfältige Wartung. Die Geländesportler stört das nicht, die warten ihre Maschinen sowieso nach jedem Rennen. Besser wäre für eine Straßenenduro eine komplette Neukonstruktion mit Ölkühler oder besser noch Wasserkühlung, um die thermischen Reserven zu erhöhen und die Wartungsintervalle zu verlängern"
Marketing "Das wird viel zu teuer, das bekommen wir niemals verkauft. Die Yamahas sind doch sowieso schon viel billiger. Überhaupt seid ihr Techniker wieder viel zu negativ - schreibt halt entsprechende Ölwechselintervalle in die Dokumentation rein, dann paßt das schon"
Konstrukteur "Cheffe, dann sollte aber auch unbedingt in das Fahrerhandbuch der Hinweis rein, das der Motor nicht für Dauervollgas konstruiert wurde und sorgfältige Wartung benötigt, damit er hält."
Marketing "Verrückt geworden??? Das wäre ja der Marketing Supergau, zuzugeben, unsere Motoren wären nicht vollgasfest. Das passt schon, notfalls können wir Defekte dem Kunden in die Schuhe schieben"
Und so wurde es dann gemacht, die XL600R bekam den praktisch unveränderten XR500 Motor. Nicht überraschend kam es dann zu einigen Motorschäden, sogar Dauertest (siehe Test XL600 weiter oben!) Motorräder, die ja von Honda Deutschland gewartet wurden, waren davon betroffen. Auch interessant Hondas Reaktion auf diese Schäden - nicht etwa die Ölpumpe wurde verbessert, sondern die Notlaufeigenschaften der Kipphebel/Nockenwelle, damit diese auch Phasen überstehen, in der die Ölpumpe nicht fördert. Ab 1987 wiederholte sich obige Szene, diesmal mit der NX650. Und unzählige Domi Besitzer mussten sich dann von den Händlern anhören: "selber Schuld, was fahren sie auch mit zu wenig Öl!"
Hat sich eigentlich jemals jemand gewundert, das Honda niemals eine NX650 für einen Dauertest zur Verfügung gestellt hat? Trotzdem besteht kein Grund, als Domfahrer neurotisch zu werden, wer sich an wenige, eigentlich banale Regeln hält und bei Problemen mit dem Ölstand die Ölpumpe wechselt hat in der Regel wenig Probleme.