Typenkunde RD02 Teil3: Tour-(d)omi

Willkommen zum dritten Teil der beliebten Serie: "Spaß mit Flaggen" äh Domis. Schon bei den Tests der Sparomi deutete sich an, dass der Dominator Motor leistungsmäßig gegenüber XT660, KLR650 & Co ins Hintertreffen geraten war und somit seinem Namen keine Ehre mehr machte. Auch aufgrund der schwachen Verkaufszahlen bot sich eine grundlegende Überarbeitung der NX650 an.

Leider hat Honda den Motor unverändert gelassen – dabei wäre damals schon der richtige Zeitpunkt für die Umstellung auf Wasserkühlung gewesen – und bei dieser Gelegenheit auch gleich den RFVC Zylinderkopf zu entsorgen. Dieser bot nie den gewünschten Leistungsboost und war mit seinen acht Kipp- und Schlepphebeln in der Fertigung sicher teurer als der vergleichsweise einfache DOHC Kopf der NX250  - und bei letzteren habe ich noch nie Risse oder gar lockere Sitzringe gesehen.   Warum Honda darauf verzichtete bleibt ein Rätsel  - vermutlich wurde kein Markt mehr für große Einzylinder gesehen und man wollte daher nichts mehr in eine Weiterentwicklung investieren.  So wurde der eigentlich für einen Geländesportler entwickelte Motor weiterhin verwendet.

Was aber eine Fehleinschätzung war, wie die 1993 eingeführte BMW F650 bewies. Obwohl diese – gelinde gesagt – optisch stark gewöhnungsbedürftig war und fahrwerkstechnisch keine Vorteile bot wurde sie zum Bestseller, vermutlich aufgrund des stärkeren und dank Wasserkühlung belastbareren Motors. Selbst Anfang der 2000er Jahre wurden von der F650 in Deutschland noch knapp 5000 verkauft – pro Jahr! Von den letzten Dominatoren 1999 nur noch wenige hundert. Insgesamt wurden weltweit über 180.000 (!) F650 abgesetzt – in Anbetracht dessen war das Festhalten am luftgekühlten Motor eine glatte Fehlentscheidung Hondas.

Um die Tourentauglichkeit zu erhöhen wurde stattdessen wurde 1992 der Tankinhalt geringfügig auf 16l erhöht und die Verkleidung wurde voluminöser – die Tour-Domi (oder Touromi) war geboren. Das Gewicht stieg aber nur mäßig an, mit nur 181kg lag man immer noch bis zu 20kg unter den Mitbewerbern. Sonst hielten sich die Änderungen in Grenzen, die Blinker waren in die Verkleidung integriert und das Heck wurde mittels Zwischenrahmen hoch gelegt. Außerdem wurde der Seitenständerschalter geändert – zuvor hatte dieser bei älteren Domis abundzu für Ärger gesorgt. Leider lassen sich die neueren Ständer/Schalter nicht an frühen RD02 verwenden. 

Selbst den Werbefritzen schien die Zukunft der Domi ungewiss – jedenfalls wurde sie auf dem 1992er Prospekt in ein wenig ansprechendes, düsteres Zwielicht getaucht.

Wie gehabt gab es eine Rote in R134 fighting red und der große Dominator Schriftzug war auch wieder da. Charakteristisch für dieses Baujahr sind die fehlenden „splash“ Graphiken, die erst 1993 eingeführt wurden.

Auch im NH196 ross white mit blauen (PB252 – keine Verkaufsbezeichnung gefunden) Rahmen wurde sie angeboten, obwohl weiße Domis sich nie wirklich gut verkauften – und daher eher selten sind.

Und endlich gab es auch wieder eine schwarze – eine Dominator darf jede Farbe haben, solange sie schwarz ist – im von der Uromi bekannten NH1 black.

Bei den 1992er Tests fällt auf, das die Konkurrenz wie Aprilia Pegaso und XTZ660 oft deutlich weniger Leistung hatten als angegeben, anscheinend ein Resultat der zunehmend restriktiveren Abgasnormen. Während die Touromi als  einzige deutlich über ihrer Nennleistung lag. Anscheinend lässt sich ein luftgekühlter Motor leichter an verschärfte Abgasnormen anpassen und das auch noch mit Leistungszuwachs – oder Honda hatte ein „glückliches Händchen“ beim Aussuchen der Testmaschinen. Wie auch immer, bei der Leistung lag die Dominator damit gleichauf, und dank des geringeren Gewichtes und des bekannt handlichen Fahrwerkes konnte sie sich immer noch gut in Szene setzen.

In MOTORRAD etwa 10/1992 wurde das handliche und stabile Fahrwerk, der stark verbesserte Windschutz und der vergrößerte Tank gelobt. Ebenso gefiel die gleichmäßige Leistungsentfaltungen und die „nervenschonende Laufruhe“.

Motorrad Reisen und Sport 7/1992 gefiel die überdurchschnittliche Verarbeitungsqualität. Interessant hier die Bemerkung, dass der gemessen 46PS (!) starke Motor locker in den roten Bereich drehte und nur der kurz übersetzte fünfte Gang eine noch höhere Spitzengeschwindigkeit verhinderte. Beneidenswert – eine NX650, die oberhalb 140km/h noch locker weiterdreht hatte ich bisher auch noch nicht – vielleicht sollte ich mir mal eine 1992er kaufen. Oder eine 1994er, denn es sollte noch toller kommen. Das „glückliche Händchen“ Hondas und der moderate Preis von 10260DM zahlten sich aus – mit 1640 verkauften Exemplaren sollte 1992 das erfolgreichste Jahr der Dominator werden.

Beim 1993er Jahrgang gab es – zum ersten Mal – eine wichtige Änderung am Motor. Die Touromi erhielt die gehäuseverstärkte Ölpumpe der neu entwickelten XR650l. Damit ist dieser Motor praktisch identisch mit dem der XR650l – für die Ersatzteilversorgung ein Glücksfall, weil die XR bis heute in den USA angeboten wird. Denn leider garantiert Honda eine Ersatzteilversorgung nur noch bis zu 12 Jahre nach Produktionsende.

Beim Design wurde es 1993 wild – die „splash“ Graphiken wurde eingeführt, außerdem wurde es richtig bunt.

Eine rote gab es zum ersten Mal nicht, dafür eine schwarze (NH1) mit Rahmen im bekannten fighting red (R134).

Mit dunkelgrauem Rahmen (NH206M Medium Bluish Grey Pearl) gab es zwei Varianten, weiss (NH196 Ross White) und schwarz (NH1).

Farbmässig der Höhepunkt dürfte die Blaue (PB221M Cyclone Blue Pearl) mit dem berüchtigten violettem Rahmen (rp132 – keine Verkaufsbezeichnung gefunden) sein.

1994 änderte sich technisch nichts, auch farblich blieb fast alles gleich – nur die Rahmenfarbe änderte sich (NH167MU iron nail silver metallic). Damit wäre dieses Baujahr eigentlich leicht zu identifizieren hätte Honda bei der 1995 folgenden RD08 nicht Resteverwertung betrieben. Der Motor wurde bis auf den Kupplungsdeckel unverändert übernommen, außerdem noch die komplette Verkleidung der Touromi. Darunter verbarg sich aber ein verstärkter Rahmen (zuvor kam es zu Haarrissen am Rahmenöltank, erkennbar am Ölnebel) und andere Schalldämpfer – an den geänderten Auspuffkappen kann man eine RD08 erkennen.

Eins der wenigen Bilder einer echten 1994er RD02  - man beachte die Auspuffkappen und den RD02 Kupplungsdeckel.

Diese Rote hier war als 94er angegeben – tatsächlich muss es sich aber um eine 1995er RD08 handeln, wie man am Auspuff und dem Kupplungsdeckel erkennen kann. Und die geschlitzte Uromi Bremsscheibe im Vorderrad passt gut ins Bild der Resterampe.

Alle Farbvarianten der Touromi auf einen Blick. Das 1995er Baujahr ist mit aufgeführt, weil technisch und optisch fast identisch - ist aber eine RD08.



1994 musste sich die NX650 in Tests der erstarkten Konkurrenz in Form der BMW F650 stellen. Wie übliche begeisterte das handliche Fahrwerk, so stellte Enduro Welt fest das „mit keiner Maschine im Test konnten wir so herrlich über verwinkelte Landstraßen knallen … die Dominator scheint Gedanken lesen zu, so willig folgt sie jeder kleinen Korrektur“. Da blieb der BMW trotz kleinerem 19‘‘ Vorderrad nur das Nachsehen. Dazu kam, dass die nicht gerade schwächliche F650 in der Spitzenleistung von der Touromi übertrumpft wurde – die gemessenen 50PS (!) waren allerdings sogar den Testern verdächtig. Um es mal in Relation zu bringen – für mehr als 50PS braucht es sonst ein professionelles Tuning mit dickem Kolben, scharfer Nockenwelle und Flachschiebervergaser, da würde mich schon interessieren, wie Honda das mit einem serienmäßigem Motor vollbracht hat.

Wie auch immer, mit diesem Motor war die Dominator in Tests ganz vorne, so resümierte Enduro Welt „das getestete Exemplar der NX650 brannte ein Feuerwerk ab, dessen Faszination sich niemand entziehen konnte“. Ja, diesen Motor hätte ich auch gerne – andererseits dürfte dieser ohne Ölkühler auch nicht lange gehalten haben.

Vom letzten Baujahr der Touromi wurden nochmals ca 1200 Stück verkauft, damit  endete die Geschichte der RD02. Insgesamt wurden knapp 8000 verkauft, von denen am 1.1.2017 noch 2000 zugelassen waren.